Donnerstag, 26. Mai 2016

Schon ein kleiner Moment kann große Erkenntnis bringen…


Mit Tieren zu leben, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich kenne es nicht anders. Seit ich denken kann hatten wir Katzen, dann Pferde und noch diverse „Zuläufer“.
Und dies sogar, obwohl mein Vater kein großer Tier-Fan war. Vor allem Pferde waren ihm sogar ein richtiger Dorn im Auge. Er konnte es nicht nachvollziehen, warum wir so gerne im Stall waren und dort so viel Zeit verbrachten. Sport grundsätzlich ja, aber reiten? Auch mit unserer Katze war es eher eine Art Koexistenz ganz nach dem Motto „leben und leben lassen“.

Für ihn war die Arbeit das Wichtigste. Erst als er älter wurde und es ihm gesundheitlich schlechter ging, schien er zu bemerken, dass es noch andere Dinge im Leben gab. Die Umsetzung und das Loslassen von der Arbeit fielen ihm schwer, eigentlich gelang es ihm nie. Aber man merkte ihm an, dass er etwas ruhiger wurde.

Eines Tages sollte ich für ihn Anzüge in der Reinigung abholen. Eine Übergabe war gar nicht so leicht einzurichten, so dass ich ihn überredete, die Sachen bei mir im Stall abzuholen. Ich musste an dem Tag schließlich noch mein Pferd versorgen. Widerwillig stimmte er zu. 
Ich war erstaunt und mir fiel auf, dass er tatsächlich noch nie mit war. Und das, obwohl wir (zumindest meine Schwester, meine Mutter und ich) unser Pferd zu diesem Zeitpunkt schon ganze 20 Jahre zu unserem Familienmitglied zählten. 

Es war ein herrlicher Sommerabend. Ich war mir meinem Pferd und meinem Hund gerade auf dem Reitplatz und wir beschäftigten uns mit ein paar Spielchen. Das fanden die beiden immer am tollsten. Da sah ich meinen Vater, mal wieder sehr gestresst, mit seinem großen Wagen durch den Schlamm Richtung Stall kommen. 
Er stieg aus und suchte nach mir. Da der Reitplatz etwas versetzt lag, konnte er mich nicht gleich sehen, ich ihn aber recht gut beobachten. Zunächst wirkte er recht hilflos und etwas genervt, doch dann sah er sich um und richtete seinen Blick auf die Pferdekoppel. Da standen die anderen Pferde. Sie grasten zufrieden und ruhig vor sich hin, die Sonne ging so langsam unter. An seinem Blick konnte ich erkennen, dass er diesen Anblick genoss und er wirkte gleich auch viel entspannter. Es kam ihm sogar ein Lächeln über sein Gesicht.  

Dann drehte er sich um und kam auf uns zu, nachdem er uns schließlich entdeckt hatte. Er sagte: Mensch ist das hier schön und idyllisch! Das hatte ich mir ja völlig anderes vorgestellt“ (bzw. gar nicht, dachte ich mir). Für mich sehr überraschend, nahm er ohne weitere Worte auf der Bank am Reitplatz Platz und ließ sich zufrieden nach hinten sinken. Er blieb noch eine Weile und schaute uns einfach zu. Bevor er wieder fuhr, teilte er mir  mit, dass er nach den vielen Jahren endlich verstehen könne, was wir daran so toll fanden.

Manchmal reicht einfach schon ein kleiner Moment zur Erkenntnis und zur Erweiterung seines Bewusstseins - man muss nur die Chance dazu bekommen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.